Tanktourismus, billige Zigaretten, Banken. Das antworten Menschen auf die Frage, was ihnen spontan zu Luxemburg einfällt. Dabei hat die winzige Hauptstadt so viele Facetten. Ein Ausflug in unser kleinstes Nachbarland.
Großherzogtum hin oder her, Luxemburgs Ruf hat keinen Glamour. Als Ziel für eine Städte-Reise lassen die meisten den Mini-Staat im Herzen Europa deshalb links liegen. Schade. Denn sie verpassen eine Altstadt, die zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, unterirdische Gänge und europäisches Lebensgefühl.
Natürlich ist Luxemburg nicht London oder Paris. Wäre Luxemburg nicht das einzige, wäre es mit Sicherheit das kleinste Großherzogtum der Welt. Gerademal 576.000 Einwohner zählt das Land, von denen rund 114.000 in der Hauptstadt leben. Statt der mächtigen Themse schlängeln sich träge Alzette und Pétrusse durch die untere Stadt. Etwa 70 Meter höher thront die elegante Oberstadt auf einem Felsen.
Dennoch hat das Städtchen alles im Programm, was man von einer echten Metropole so erwartet: Parks und Museen, spektakuläre Architektur, man stolpert nahezu über gute Restaurants. Über einigen leuchten sogar die Sterne. Eine Philharmonie, Theater, immerhin einen prächtigen Palast nebst echtem Monarchen.
Sehenswertes in Luxemburg
Wo man allerdings am Buckingham Palace einen hohen Zaun in gebührendem Abstand hochgezogen hat, langweilt sich hier ein einsamer Soldat hinter einer läppischen Kordel. Paradieren allerdings zwei uniformierte Kollegen und ist die Nationalflagge gehisst, residieren die Großherzogs, wie die Herrscherfamilie hier genannt wird, in der zweiten und dritten Etage.
Das herrschaftliche Gebäude mit der Renaissancefassade ist bei einem Streifzug durch die Innenstadt nicht zu übersehen. Einen Stadtplan kann man sich bei einem Rundgang sparen. Weil sie so winzig ist, gibt es ohnehin nichts zu verfehlen.
Da sind Prunkbauten, pastellfarbene Sandsteinhäuser, verzierte Fassaden. Die 45 Meter hohe Adolphe-Brücke, benannt nach dem damaligen Großherzog Adolphe, zählt zu den imposantesten Bauwerken der Stadt.
Viele Gebäude zeugen davon, dass „d’Stad“ , wie die Luxemburger sagen, schon über tausend Jahre auf dem Felsen steht. Dazwischen drängeln sich unzählige Patisserien, Cafés und Freiluftrestaurants dicht an dicht.
In den malerischen Gassen haben die Luxemburger mutig historische Bausubstanz mit moderner Architektur verknüpft.
An ihrem ältesten Platz, dem Fischmarkt, setzt sich ein Erkerhaus mit dem Motto der Luxemburger in Szene: „Mir wëlle bleiwe wat mer sinn!“ (Wir wollen bleiben, wie wir sind). Denn vor allem ist Luxemburg eine kosmopolitische Perle. Sage und schreibe 65 Prozent der Einwohner haben einen ausländischen Pass. Das Ergebnis ist ein babylonisches Sprachengewirr von mehr als 170 Nationalitäten.
1000 Jahre Geschichte
Ausländer gab es in Luxemburg von jeher. Denn in der Vergangenheit wurde die alte Festungsstadt immer wieder von fremden Mächten besetzt. Das Musée d’Histoire de la Ville, untergebracht in einem altehrwürdigen Bau mit schwebender Glasfassade, erzählt die Stadtgeschichte.
Die begann nur ein Katzensprung entfernt: Auf dem Bockfelsen ließ Graf Siegfried im Jahr 963 die erste Burg errichten. Und im Laufe der Jahrhunderte baute jeder Besatzer die mächtige Festung weiter aus. 1867 verfügte schließlich der Londoner Vertrag, die Anlage des von da an unabhängigen Staates zu schleifen.
Doch bis heute kann man durch die kilometerlangen Wehrgänge laufen, die Kasematten. Das unterirdische Labyrinth diente als Waffenlager und Kaserne. Es beherbergte Pferde, Werkstätten, Schlachthäuser und Bäckereien.Über 40 Kilometer waren einst die Kasemattengänge lang, davon sind heute 23 Kilometer erhalten. Noch im Zweiten Weltkrieg fanden hier 35.000 Luxemburger Schutz.
Bei einer Besichtigung schaut man aus den düsteren Gängen auf das Quartier Grund an der Alzette hinab. In Luxemburgs Souterrain wohnten damals die Festungsbauer und Handwerker, dann folgten die Mönche. Als die Mönche gingen, wurde die Abtei 1869 zum Männergefängnis umfunktioniert.
Heute ist Grund das vielleicht schönste Viertel der Unterstadt. Es gibt viele Szenekneipen, edle Sternerestaurants und das Kulturzentrum Abbaye de Neumünster mit seinen Gärten.
Von der Corniche, dem Aussichtsbalkon in der Oberstadt, sehen die kleinen Häuser, die sich in der Alzette-Schlucht aneinanderdrängen, beschaulich aus. Und auf der gegenüberliegenden Seite leuchten die Wolkenkratzer auf dem Kirchberg-Plateau. Im modernsten Teil der Stadt wimmelt es von Meisterwerken zeitgenössischer Architektur.
Hier schlägt das Herz Europas
Mehr als 20.000 Menschen arbeiten hier, darunter 8.000 Eurokraten. Dutzende von Glaspalästen beherbergen den Europäischen Gerichtshof, die Philharmonie und Banken. Auch der Europäische Rechnungshof hat hier seinen Sitz, die Europäische Investitionsbank und das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments.
Keine andere Stadt hat ein solches Spektrum an europäischen Behörden zu bieten. Schließlich ist die Kapitale des Großherzogtums, neben Straßburg und Brüssel, Hauptstadt der EU.
Es ist also tatsächlich alles beinahe wie in London oder Paris. Eigentlich. Nur völlig anders. Es ist diese einzigartige Mischung aus dörflichem Charme und großer weiter Welt, die das kleine Luxemburg so besonders macht.