Weimar – die Stadt der Klassiker, europäische Kulturhauptstadt, Bauhaus, Weimarer Republik, die Heimat von Goethe und Schiller – und ich schreibe von Zwiebeln?
Ja, wenn wir von Kulturhauptstadt reden wollen, führt kein Weg an der Zwiebel vorbei. Mit dem heuer 369. Weimarer Zwiebelmarkt ist diese Tradition weit älter als die berühmten Dichter und Denker aus dieser Stadt inmitten von Thüringen. Gewiss waren auch unsere Literaten seinerzeit zu Gast auf dem Zwiebelmarkt. Und sicher findet sich ja in einer ihrer Schriften ein Nachweis dafür. Goethe brachte beispielsweise gerne Zwiebelrispen an seinem Schreibtisch an.
Der Weimarer Zwiebelmarkt hat nicht nur Jahrhunderte überdauert, sondern auch diverse Kriege, Systeme und Staatsformen überstanden und führt noch heute Traditionen fort. Schon als kleines Kind war ich dort zu Gast. Damals in der DDR ging es bereits sehr zeitig in tiefstem Dunkel mit dem Personenzug von Jena-Göschwitz nach Weimar. Der Zwiebelmarkt begann sehr früh am Morgen und war immer ein besonderes Erlebnis. Damals war er auf den Samstag verkürzt und die begehrten Zwiebelzöpfe konnte nur ergattern, wer zeitig genug da war. Eine Umbenennung in sozialistisches Erntefest hat nie funktioniert. Heutzutage sind wieder drei Tage Zwiebelmarkt und etwa 300.000 Gäste kommen nach Weimar. Rund 600 Stände sorgen für eine unglaubliche Vielfalt auf dem Markt.
Sehr schön, dass diese Tradition weiterlebt, denn der Zwiebelmarkt in Weimar wird noch immer wie gewohnt am Samstag früh um 6 Uhr offiziell eröffnet. Weniger schön dabei ist natürlich, dass wir dafür in aller Herrgottsfrühe in Leipzig aufbrechen müssen.
Was ist eigentlich der Zwiebelmarkt? Was ist ein Zwiebelzopf? Leute aus der Region kennen dies seit Jahrhunderten und mögen mit Kopfschütteln und Unverständnis reagieren. Doch regionale Traditionen haben eben noch längst nicht die verbreitete Beachtung gefunden, wie man meinen könnte.
Mönch, Königin und Prinzessin auf dem Zwiebelmarkt
Punkt 6 Uhr mit Ertönen des Porzellan-Glockenspiels am Rathaus von Weimar geht es offiziell los. Der Oberbürgermeister von Weimer mit der Zwiebelkönigin, zuletzt Gina-Lisa, nun übernimmt Lisa für ein Jahr, sowie der Bürgermeister der eigentlichen Zwiebelbauernstadt Heldrungen mit der Zwiebelprinzessin, zuletzt Franziska, nehmen den Weg vom Rathaus zur Bühne. Die Ansprachen bleiben kurz, bis endlich die beiden Hoheiten gemeinsam den Eröffnungsspruch ausrufen. Während die Kapelle der Musikhochschule Weimar noch spielte, setzten sich die Offiziellen bereits langsam in Bewegung. Da alles ohne Zeitdruck ablief, hätte man hier mal ruhig noch einen kompletten Titel abwarten können.
Immer beim Geschehen zugegen ist der Zwiebel-Mönch Theo, der mit seiner stattlichen Größe dank Stelzen auch im zunehmenden Gedränge stets wieder leicht aufzufinden ist. Quasi als Moderator begleitet er Zeremonie und Rundgang. Dabei ist der Zwiebel-Mönch auch immer für einen lustigen Spruch zu haben, etwa „Wir glauben nicht ans Seelenheil, aber Zwiebeln finden wir geil.“
An den Ständen wird schon mal Schmalzbrot und Gewürzgurke gereicht – oder auch ein Schnaps. Gegen 7 Uhr endet der Rundgang wieder auf dem Markt am Stand der Ehringsdorfer Brauerei. Die kleine Braustätte am Stadtrand Weimars spendiert ein Fässchen Freibier und ähnlich wie beim großen Oktoberfest in München obliegt dem Oberbürgermeister die Aufgabe des Anstichs. So einfach ist das gar nicht, den Hahn sicher ins Fass zu befördern.
Ehringsdorfer? Schon mein Urgroßvater, den ich selbst nie kennengelernt habe, kannte Ehringsdorfer Bier und schenkte es seinerseits im eigenen Gasthof in Lehnstedt unweit von Weimar aus. Schön, dass es diese kleine, regionale Brauerei bis heute noch gibt.
Bei Lichte besehen
Nach dem ersten Bockbier hat sich das Tageslicht schlussendlich klar Bahn gebrochen. Die erleuchteten Stände lagen nun (zunächst) im Zwielicht mit dem tiefstehenden und oft blendenden Sonnenlicht. Die Magie des Augenblicks verflüchtigte sich, die morgendliche Kühle hielt jedoch noch an. Letzte Nebel wallten – ein idealer Zeitpunkt für einen Spaziergang im nahegelegenen Park an der Ilm – übrigens eine der sage und schreibe 16 eingetragenen Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes im klassischen Weimar. Ganz andere Eindrücke befielen uns dort – und da war sie wieder, die Magie von Weimar.
Bratwurst für Weltenlenker und Stars
Ein Morgenspaziergang macht hungrig. Auf der Suche nach der ultimativen und echten Thüringer Rostbratwurst sind wir gut vorangekommen und wohl dem Ziel recht nahe. Auch wenn es hier viele Bratwurststände gibt, ist einer davon recht besonders und steht mitten auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. Werbung mit ehemaligen Gästen wird ja gern gemacht, aber da die Würste auf dem Grill gut gebraten werden, machen wir den Versuch.
Über Geschmack lässt sich sicher streiten, wir waren aber begeistert und kannten ähnlich gute Thüringer Rostbratwurst bisher nur aus dem Bratwurstmuseum in Holzhausen. Jetzt freuen wir uns schon auf den nächsten Zwiebelmarkt und die echte Bratwurst an jenem Stand, wo schon der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, Hans-Dietrich Genscher, Richard von Weizsäcker, François Mitterrand aber auch Udo Lindenberg und Rudi Carell zu Gast waren. Fleischwaren und die zertifizierte Thüringer Rostbratwurst am Stand stammen übrigens von der kleinen Privatfleischerei Longin Schnabel aus Weimar.
Zwischen Zwiebeln und Klassikern
Der Zwiebel-Klassiker, den schon Goethe mochte, ist der liebevoll gebundene Zwiebelzopf. Eine längliche Rispe aus Stroh, woran meist unterschiedlich-farbige Zwiebeln angebunden und mit Trockenblumen weiter verziert werden. Das typische Souvenir ist heutzutage an unzähligen Ständen ausreichend erhältlich. Inzwischen gestaltet man öfter auch kleine Gesichter und Figuren aus Zwiebeln – die Zwiebelinchen.
Zu kaufen gibt es auch unverarbeitete Zwiebeln aller Art und Größe sowie typische Herbstgemüse und Früchte wie Kürbis, Sellerie, Äpfel und Quitten. Ein kleiner Stand auf dem Marktplatz fiel noch auf. Hier gab es für Fans und Gärtner verschiedene internationale Zwiebel- und Knoblauchsorten in Demeter-Qualität. Noch ein Tipp: nicht den beliebten Thüringer Majoran vergessen.
Sehr beliebt und auch begehrt sind Trockensträuße und Gestecke aus Gräsern, Ähren und Blumen. Für die schönsten Kreationen muss man auch heute noch zeitig da sein.
Bei der Anna-Amalia-Bibliothek gibt es schon einen Vorgeschmack auf den nahenden Advent. Hier werden die echten Pulsnitzer Lebkuchen feilgeboten. Gegenüber gibt es Wildspezialitäten.
Kulinarische Vielfalt in Weimar
Zum Zwiebelmarkt gehört natürlich Zwiebelkuchen. Der erste wird inzwischen bereits am Freitag mittags angeschnitten. Ein beliebter Stand ab samstags 6 Uhr steht nur wenige Schritte vom Nationaltheater und dem Goethe-Schiller-Denkmal entfernt.
Bratwurst hatten wir früh schon. Bei bestem Wetter ging es mittags wieder zum Grill. Nun gab es praktisch ein Thüringer Rostbrätel deluxe. Der Grillstand auf dem Markt liefert hier ein großes Schweinekotelett vom Grill mit Knochen im Brötchen. Großes Lob, dass es mal ein vollständiges Kotelett gibt. Dazu super gewürzt und gegrillt. Wir kommen gerne wieder. Passende regionale Biere aus Apolda und Ehringsdorf gibt es an mehreren Ständen. Ebenfalls auf dem Markt hat uns der Kuchen der kleinen Bäckerei aus Altengönna gut gefallen.
Die Weinmeile befindet sich am Frauenplan, jenem kleineren Platz, wo Goethes Wohnhaus steht. Je nach Belieben kann man mit einem kühlen Gläschen oder auch einer heißen Tasse Glühwein gleich noch eine Stadtbesichtigung verbinden.
Zwiebel zum Trinken? Ein auffälliger Marktstand mit riesigen bunt gefüllten Cocktail-Gläsern bietet Bowle aus allerlei Gewächsen an – cool oder krass. Auf dem Zwiebelmarkt probierte ich natürlich eine Zwiebel-Bowle aus roten Zwiebeln. Nun ja, das ist schon sehr eigenwillig und sicher nicht jedermanns Geschmack.
Beliebte ungarische Spezialitäten sind mit einem Verkaufsstand nahe dem Frauenplan sowie mehrmals Langos und den gebackenen Teigrollen des Kürtöskalács beim Stadtschloss vertreten.
Praktisches zum Zwiebelmarkt
Der Zwiebelmarkt findet jedes Jahr am zweiten Wochenende im Oktober statt und beginnt heutzutage schon freitags vor der eigentlichen Eröffnung. Aktueller Termin: 7. bis 9. Oktober 2022. Der Zwiebelmarkt ist kostenlos zu besuchen.
Der Markt zieht sich durch das gesamte Stadtzentrum von Weimar. Wer es zeitlich schaffen kann, sollte sich die offizielle Eröffnung am Samstag morgens um 6 Uhr gönnen. Zudem ist da auch noch leicht ein Parkplatz zu ergattern, beispielsweise in der Belvedere Allee. Später wird das Parken schwierig. Es gibt aber P+R-Parkplätze und zusätzliche Busse.
Noch ein Kuriosum gibt es zu berichten: Der Zwiebelmarkt-Dauergast kann auf dem Marktplatz eine Toiletten-Flatrate erwerben – 5 Euro unbegrenzt statt einmalig 0,70 Euro. Ob sich’s lohnt?
Weitere Informationen zum Programm gibt es auf den Zwiebelmarkt-Seiten der Stadt Weimar, auf Facebook sowie in einer eigens dafür erhältlichen App. Vor Ort hält die Tourist-Information am Markt vieles Informatives zu Weimar bereit.
Hallo,
ich möchte gern einen Zwiebelzopf bis 10,00€ als Geschenk online kaufen und zwei Zwiebelinchen dazu. Ist das möglich?
Es grüßt sie
Barbara Quade
cash-rolls@t-online.de
Hallo,
am besten sollten Sie vor Ort auf dem Zwiebelmarkt kaufen. Er findet gerade wieder dieses Wochenende vom 7.-9. Oktober 2022 statt. Aber immerhin habe ich hier ein Online-Angebot für einen Weimarer Zwiebelzopf gefunden: https://www.ginkgoshop.de/weimar-shop/weimarer-zwiebelzopf.php.
Viele Grüße von Peter