Der ,Cimitero acattolico‘ , auch protestantischer Friedhof genannt, ist eine der stillen, gleichwohl großartigen Sehenswürdigkeiten in Rom. Seit über 300 Jahren werden an der Pyramide die nicht-katholischen Ausländer begraben. Dort ruhen Keats, Gottfried Semper und Goethes Sohn August.
Ein trauernder Marmorengel inmitten von Pinien und schlanken Zypressen. Mit Efeu bedeckte Gräber drängeln sich den Tonscherben-Hügel hinauf. Jahrhundertealte Stelen, Büsten und kunstvoll verzierte Tafeln. Ihre Inschriften erinnern an Diplomaten, Archäologen und berühmte Dichter aus aller Welt. Rosen und Lavendel verströmen ihren Duft. Katzen dösen dekorativ auf Grabmalen in der Sonne. Im Hintergrund erhebt sich die Cestius-Pyramide.
Was für ein malerischer, aber auch melancholischer Ort. Er gleicht eher einem Garten, einem kleinen verwunschenen Park. Mit Palmen, üppigen Hortensien und Bänken zum Nachdenken in stillen Winkeln. „Der protestantische Friedhof ist der schönste, den ich je gesehen habe”, schrieb Skandinaviens wohl berühmtester Künstler, Edvard Munch, 1927 nach seinem Besuch. Man mag ihm nicht widersprechen.
Der protestantische Friedhof verzauberte Romantiker
Es verwundert nicht, dass dieses Idyll schon viele sensible Künstlerseelen inspirierte: William Turner, der britische Meister der Romantik, malte die Szenerie aus der Vogelperspektive. Und der Schweizer Rudolph Müller ein Aquarell. Sogar Goethe schuf eine kleine Federzeichnung. Zwar fürchtete der Dichterfürst den Tod so sehr, dass er noch nichtmals ans Sterbebett seiner Ehefrau treten wollte. Dennoch erträumte er sich in seiner siebten „Römischen Elegie” ein Grab an der Pyramide. Natürlich bitte erst später.
In der Nähe des Eingangs leuchtet ein imposantes Monument. Es ist das Grab eines mit nur 21 Jahren gestorbenen Schotten. Wie hingegossen liegt der Verstorbene auf dem Sockel, mit einem Cockerspaniel im Arm. „Er wurde von allen geliebt, die ihn kannten – der Schatz seiner Eltern …”, so endet die ellenlangen Inschrift.
Oben an der Mauer eine Gedenktafel für Indiens ersten Botschafter in Italien, Dewan Ram Lall, der 1949 in Rom verstarb. Und nur ein paar Schritte weiter sitzt ein steinerner Junge in Lebensgröße auf einem Grab. Hier wurden ein Kind und dessen Mutter begraben.
Auf einer Bodenplatte ist der Name Percy Bysshe Shelly zu lesen. Der Poet lebte in Italien mit seiner Ehefrau Mary Shelley, die uns den Roman „Frankenstein” hinterließ. „Es möchte einen in den Tod verliebt machen, an einem so schönen Ort begraben zu werden”, hatte der Brite nach der Beerdigung seines Dichterfreundes John Keats geschrieben.
Das Grab von Shelley
Natürlich ohne zu ahnen, dass andere schon ein Jahr später auch seinen Namen auf besagtem Friedhof in Rom finden würden. Denn mit gerademal 30 Jahren ertrank er als Nichtschwimmer 1822 bei einer Segeltour im Meer.
Shelleys Leichnam wurde noch am Strand von Viareggio verbrannt. Und seine Asche unter den Worten „Cor Cordium”, Herz der Herzen, auf dem römischen Friedhof beigesetzt. Tatsächlich jedoch bewahrte Mary das Herz ihres Ehemannes, vielleicht war es aber auch seine Leber, bis zu ihrem eigenen Ableben in einem Umschlag auf.
Jedes Grab hat eine Geschichte zu erzählen. Auch deshalb ist der protestantische Friedhof, wie er meist genannt wird, eine der stillen, gleichwohl großartigen Sehenswürdigkeiten in Rom. Doch anders als der Name verspricht, haben dort auch Atheisten und Angehörige anderer Religionen ihre letzte Ruhe gefunden.
Ein nicht-katholischer Friedhof für Rom
Der offizielle Name beschreibt die Funktion viel besser: Sie lautet „Cimitero Acattolico per gli stranieri a Testaccio”, also „Nicht-katholischer Friedhof für Ausländer in Testaccio”. Mittlerweile werden seit 300 Jahren im Stadtteil Testaccio Menschen begraben, die zwar keine Italiener waren, aber in der Ewigen Stadt eine zweite Heimat gefunden hatten.
Doch warum gibt es überhaupt diesen Ort? Weil man früher gar nicht wusste, wohin mit den Leichen. Oft wurden verstorbene Ausländer, meist von der Schwindsucht oder Cholera dahingerafft, in ihre Heimatländer geschickt. Manche gar den Tiber geworfen. Viele aber hat man jenseits der antiken Mauern, am Muro Torto, verscharrt. Zusammen mit Selbstmördern, Prostituierten und Kriminellen. Es gab für Nichtkatholiken in Rom keinen würdigen Ort.
Bestattungen waren nur nachts erlaubt
Zwar wurde der Friedhof offiziell erst von Papst Pius VII 1821 eröffnet. Doch schon 1716 wurde laut erster dokumentierter Überlieferung William Arthur aus Edinburgh außerhalb des Stadttors begraben. Auf einer Wiese hinter der Cestius-Pyramide. Nur dort, fernab des geweihten Bodens, wurde die Beerdigung von Nichtkatholiken gestattet.
Allerdings waren die Begräbnisse damals nur in der Dunkelheit erlaubt. Tatsächlich haben Freunde und Verwandten ihre Lieben im Fackelschein zu Grabe getragen. Ebenso waren Grabmale bis 1765 verboten, Kreuze sogar bis noch zum Ende des Kirchenstaats. Erst als Garibaldi 1870 die Macht in Italien übernahm, änderten sich die Regeln – oder besser gesagt Schikanen. Und um die Grabesruhe zu wahren, wurde eine hohe Mauer um den Friedhof gezogen.
Inzwischen liegt der protestantische Friedhof eingebettet in der gewachsenen Stadt. Viele kommen für einen Spaziergang in diese grüne Oase abseits vom Getöse. Am schmiedeeisernen Eingangstor wird um eine Spende von mindestens drei Euro gebeten. Denn bis heute ist der Cimitero acattolico eine private Institution. Verwaltet von Repräsentanten von 15 Botschaften in Rom, finanziert durch Eintrittsgelder, Beerdigungs- und Instandhaltungskosten der Gräber.
Inzwischen wurden etwa 4000 Menschen auf dem Gelände begraben. Hier gehen die Besucher langsam über die mit weißen Kieseln bedeckten Pfade und lesen andächtig die vielen berühmten Namen auf den verwitterten Steinen.
Berühmtheiten auf dem Cimitero Acattolico
Da ruht die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Malvida von Meysenbug aus Kassel, eine enge Vertraute von Nietzsche. Oder der Heidelberger Landschaftsmaler Karl Philipp Fohr, der mit 23 Jahren im Tiber ertrank.
Auf einem Grabstein steht statt eines Namens dieser Satz: „Here lies One Whose Name was writ in Water.” Hier ruht jemand, dessen Name ins Wasser geschrieben wurde. Die Worte stammen aus der Feder von John Keats, einem der wichtigsten Dichter der englischen Romantik. Schon schwer an Tuberkulose erkrankt, war er 1820 auf Einladung von Percy Shelley mit dem Maler Joseph Severn nach Italien gekommen. Doch der Klimawechsel brachte nicht die erhoffte Genesung: Kurz darauf starb er mit 26 Jahren in Rom.
Direkt daneben das Grab des treuen Begleiters. „Devoted friend & death-bed companion of John Keats …”. Ergebener Freund und Totenbett-Gefährte von John Keats. Was für eine rührende Botschaft. Joseph Servern widmete seine eigene Grabinschrift dem Freund, der 58 Jahre vor ihm gestorben war.
Der „Katzenfriedhof” an der Pyramide
Immer wieder tauchen Schwanzspitzen hinter den Grabsteinen auf. Hier und da schleichen Fellohren durchs Gebüsch. Es sind die „Gatti della Piramide”, die Katzen der Pyramide – eine der größten Katzenkolonien in Rom.
Seit Jahrzehnten werden die Streuner von einem eigens für sie gegründeten Verein umsorgt, medizinisch betreut und in gute Hände vermittelt. Natürlich haben die Tiere längst auch den benachbarten Friedhof okkupiert. Sie streifen elegant über die Pfade oder halten Schläfchen im Schatten.
Ein vierbeiniger Grabwächter spaziert über die Wiese am Platz von Asmus Carstens vorbei, der sich in Rom vor allem mit den Werken von Raffael und Michelangelo befasste. In der Nachbarschaft eine abgebrochene Säule. Sie erinnert an die beiden verstorbenen Kinder von Wilhelm von Humboldt, der seinerzeit als preußischer Gesandter in Rom residierte.
Und noch ein weiterer Sohn eines berühmten Mannes wurde hier bestattet: August von Goethe. Johann Wolfgangs und Christianes einziges von fünf Kindern, der das Erwachsenenalter erreichte. Bereits schwer erkrankt, war er nach Rom aufgebrochen und dort an einer Pockeninfektion gestorben.
Das Grab von August Goethe
Der Grabstein trägt die vom Vater verfasste Inschrift: „Goethe Filius Patri Antevertens Obiit”. Goethe der Sohn dem Vater vorangehend starb mit 40 Jahren 1830. Der Vorname wird verschwiegen. Noch im Tode blieb August nur der Sohn des Über-Vaters Goethe.
Nicht weit davon entfernt das Grab eines anderen Augusts, Goethes Bekannter. August Kestner, Jurist und Archäologe und erster Botschafter des Vereinigten Königreiches beim Vatikan. Er hatte den jungen Goethe 1930 in Rom kennengelernt. Er kümmerte sich um dessen Bestattung und überbrachte die Todesnachricht dem Vater. Ausgerechnet! Kestner war der Sohn von Charlotte Buff-Kestner. Eben jener geliebten Lotte aus Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“.
Der Engel der Trauer
Eine Gedenktafel erinnert an Axel Munthe, den schwedischen Schriftsteller und Arzt. Und ein Portraitrelief an den Schriftsteller Wilhelm Waiblinger, den Hölderlin-Biographen. Auch Gottfried Semper, der mit der Semper Oper das Stadtbild Dresdens prägte, ruht seit 1879 für alle Ewigkeit in Rom. In der Nähe der Kapelle steht sein mit vielen Inschriften verzierter Sarkophag.
Dort ein berührendes Zeugnis der Romantik, hier eine imposante Skulptur. Kaum umgedreht steht man schon wieder vor einem steinernen Monument der Liebe und Verehrung. Wie der wunderbare „Engel der Trauer”, den der berühmte Bildhauer William Wetmore Story für seine Ehefrau schuf. Längst liegt der Amerikaner neben seiner Emelyn begraben.
Oder das Werk „Die Braut”, mit dem der Bildhauer Ferdinand Seeboeck seiner viel zu jung verstorbenen Verlobten Elisabeth Wegener-Passarge ein Denkmal setzte.
Man liest deutsche, britische und schwedische Namen. Ebenso griechische, russische und norwegische Inschriften sind zu sehen. Der protestantische Friedhof ist ein friedlicher Ort, über nationale Grenzen hinweg. Und obwohl er italienischer Staatsbürger war, wurde auch Antonio Gramsci, der legendäre Gründer der Kommunistischen Partei Italiens, 1937 in der Familiengruft seiner russisch-orthodoxen Frau Julia Schucht beigesetzt.
Doch Goethes Wunsch, am Fuße der Cestius-Pyramide in Rom begraben zu werden, sollte unerfüllt bleiben. Der Dichter ruht in Weimar, wo er in seinem Haus, zwei Jahre nach seinem Sohn, im Alter von 82 Jahren starb.
Infos: Protestantischer Friedhof Rom / Cimitero acattolico
Adresse: Der Cimitero acattolico, auch protestantischer Friedhof genannt, befindet sich im Viertel Testaccio in der Via Caio Cestio 6, in der Nähe der Porta San Paolo. Wer hinter der Cestius-Pyramide an der Mauer entlang geht, kann den Eingang nicht verfehlen.
Anfahrt: Metro B, Haltestelle Piramide. Tram-Linie 3 und Busse 30, 75, 60, 83, 95, 175 und 280.
Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 9 bis 17 Uhr; Sonntags und an Feiertagen von 9-13 Uhr
Eintritt: Jeder wird gebeten, zumindest 3 Euro zu spenden, denn in diesen Friedhof fließen keine öffentlichen Gelder.
Sehr schöber Beitrag. Gibt es eine Lageplan der einzelnen Gräber der Celebritäten?
Vielen Dank. Einen Lageplan findest du im Netz unter http://www.cemeteryrome.it/graves/mappe.html
Viele Grüße von Carmen
Hallo,
Ich suche den Friedhof in Rom wo der Pferde Jockey Danielle Porcu beigesetzt ist.
Vielleicht gibt es einen Lage Plan von seiner Grabstätte sogar.
Für Ihre Bemühungen Bedanke ich mich bei Ihnen im voraus.
Hallo,
dazu kann ich leider auch nichts sagen, im Netz steht lediglich, dass er im Familiengrab in Rom beigesetzt wurde. Deshalb vermute ich, dass es auf Roms Hauptfriedhof, dem Cimitero del Verano, zu finden ist.
Merkwürdig romantisch: Das Grab, des von Goethe gelobten Malers Carstens direkt bei der Pyramide…
Merkwürdig romantisch auch:
GOETHE FILIUS PATRI ANTEVERTENS OBIIT ANNOR XL. (Goethe der Sohn, seinem Vater vorangehend, starb 40-jährig.)
Goethe schrieb 1788: „Du schriebst neulich von einem Grab der Miß Gore bei Rom. Vor einigen Abenden, da ich traurige Gedanken hatte, zeichnete ich meines bei der Pyramide des Cestius, ich will es gelegentlich fertig tuschen, und dann sollst du es haben…“
Goethe senior schaffte es nicht in seiner geistigen Heimat – Rom – zu sterben, aber sein Sohn ging ihm dann dort voran…
„O wie fühl ich in Rom mich so froh, gedenk ich der Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag,
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu spähn, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Äthers die Stirne.
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von weichen Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond heller als nordischer Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum ich? Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach, hier lieg ich und strecke nach deinen Knieen die Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius, mich!
Wie ich hereingekommen, ich kanns nicht sagen: es faßte
Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergib! Laß mir des Irrtums Gewinn!
Deine Tochter Fortuna, sie auch! die herrlichsten Gaben
Teilt als ein Mädchen sie aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirtliche Gott? O dann so verstoße den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab!
»Dichter! Wohin versteigest du dich?« – Vergib mir: der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich später
Cestius Mal vorbei, leise zum Orkus hinab…“
Ist dieser Friedhof frei zugänglich oder muss man sich vorher anmelden oder ein Zeitfenster buchen? Für die „Spende“ steht dann sicher ein entsprechendes Gefäß bereit? Inzwischen schreiben wir ja 2023 und ich kann nicht sehen aus welchem Jahr der Bericht ist.