Die Heimatstadt übersieht man oft. Andere blicken da genauer hin. Wenn sogar das amerikanische Magazin Matador Network den Weihnachtsmarkt Leipzig zum schönsten in Europa kürt, muss da was dran sein. Gerne schlendern wir nochmal etwas aufmerksamer über den heimischen Weihnachtsmarkt im Lichterglanz und nehmen euch mit auf einen vorweihnachtlichen Spaziergang, den wir am Leipziger Augustusplatz beginnen. Den Weihnachtsmarkt Leipzig gibt es übrigens bereits seit dem Jahre 1458.
Finnisches Weihnachtsdorf
Ein kulinarisches Highlight in Leipzig ist der original finnische Flammlachs, der seit Jahren schon die Besucher anlockt. Ganze Lachsseiten werden mit Holzspießen auf große Bretter genagelt und dann seitlich am offenen Holzfeuer schonend gegart – ein Spektakel für alle Sinne. Billig ist das Vergnügen nicht. Dennoch empfehle ich die komplette Portion mit hausgemachtem Kartoffelsalat für derzeit 9,50 Euro. Im alternativen Lachsbrötchen scheint mir die Portion eher etwas knapp. In einem Restaurant wäre Lachs solcher Qualität gewiss erheblich teurer. Das finnische Dorf rundum bietet originalen, leicht-fruchtigen Glögi, Schnäpse des Nordens, durch offenes Feuer gewärmte Jurten und Spezialitäten aus Finnland im Kalevala-Häuschen. Lasst Euch etwas entführen in die Heimat des Weihnachtsmannes. Mehr Eindrücke vom finnischen Weihnachtsdorf gibt es bei SOS-Fernweh.
Südtiroler Dorf
Wer es noch etwas deftiger mag, kommt wenige Schritte entfernt im Südtiroler Dorf bei den Spezialitäten von Kapaurer auf seine Kosten. Alpenstimmung mit viel Holz. Sogar abgetrennte Séparées lassen sich für kleinere Feiergruppen mieten – gelegentlich sind hier auch die Krampusche zu Gast am Stand. Der rote Glühwein hat in Tests der Lokalpresse gut abgeschnitten, uns gefällt allerdings eher der etwas ungewöhnliche Zirbelpunsch. Weitere Spezialitäten wie Moosbeerenpunsch oder Ingwerpunsch sind probierenswert; Vinschgauer mit Käse oder Schinken oder eine zünftige Brettl-Jause helfen bei Hunger.
Weihnachtsmarkt Leipzig für Kinder: Märchenland Augustusplatz
Das Märchenland auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt gibt es schon, solange ich ihn kenne. Früher wirkten die gestalteten Märchen noch etwas größer, aber vielleicht war ich einfach nur noch kleiner. Berühmte Klassiker wie Rotkäppchen sind hier in Szene gesetzt. Der Witz dabei – es ist der eine oder andere Fehler in die Märchen eingebaut, so dass die Kinder zum Nachdenken und Mitmachen eingeladen sind.
Ebenfalls auf dem Augustusplatz dreht ein Riesenrad seine Runden. Für kleinere Drehbewegungen finden sich im Gelände verteilt mehrere kleine historische Karussells.
Echte Feuerzangenbowle
Kaum ein Getränk steht mehr für die Adventszeit als die durch Heinz Rühmann unsterblich gewordene Feuerzangenbowle. Seit vielen Jahren ist in Leipzig direkt neben der Nikolaikirche an der symbolischen Säule aus der Kirche der große Pyramiden-Stand mit der Feuerzangenbowle ein fester Treffpunkt. Ob die Bowle noch so schmeckt wie bekannt, oder sich verändert hat, ist gerne mal wieder Diskussionsthema. Ich lege mich da nicht genau fest. Wir mögen den Stand seit vielen Jahren. Die Feuerzangenbowle wird dort noch richtig im großen Kupferkessel mit brennendem Zuckerhut und Rum frisch zubereitet, kostet 4 Euro und kommt im getöpferten Becher über den Tresen. Probiert es einfach selber aus. Spekulatius gibt es hier übrigens gratis dazu.
Unweit entfernt in der Grimmaischen Straße lädt die nächste Feuerzangenbowle vor dem Eiscafé San Remo ein – Kostenpunkt 4,50 Euro. Auch hier setzt man auf frische Zubereitung. Es gibt ordentlich Rum in die Bowle, die dann mit brennendem Zuckerstück serviert (verkauft) wird. Hier kann man die faszinierend blaue Flamme des Rums selbst in den Händen halten. Diese zweite Variante ist dank des hochprozentigen Rums insgesamt noch kräftiger und deftiger, die erste Feuerzangenbowle wirkt hingegen vom Wein her etwas ausgewogener. Beide sind probierenswert.
Mittelaltermarkt
Der Naschmarkt hinter dem alten Rathaus und vor der alten Börse macht jetzt seinem Namen alle Ehre und wird wieder wirklich zu einem Naschmarkt mit Genüssen aus längst vergangenen Zeiten. Historisch gebackenes Brot aus dem Holzofen sowie der Met der alten Germanen laden zur Verkostung ein. Gaukler und Korbwaren, Keramik und altes Handwerk, Glühbier-Punsch und andere Heißgetränke versetzen in jene Zeiten zurück. Auch die Händler sind dementsprechend gekleidet.
Marktplatz
Herzstück des Leipziger Weihnachtsmarktes ist natürlich der Marktbereich rund um die Tanne auf dem Marktplatz vor dem alten Rathaus, wo auch ein paar Schafe der Krippe etwas echtes Leben einhauchen. Die Rekonstruktion am Leipziger Rathaus schreitet voran, sodass die Gerüste schon weniger geworden sind. Ein Großteil der Marktstände versammelt sich auf dem Marktplatz und bietet einen breiten Einblick in sächsische Traditionen der Weihnachtszeit sowie weithin bekannte Bräuche.
Wer am Wochenende gegen 19 Uhr dort ist, kann auch den weihnachtlichen Klängen der Posaunenbläser vom Balkon des Alten Renaissance-Rathauses zu Leipzig lauschen, das nach Plänen von Hieronymus Lotter erbaut wurde.
Von Bratwurst bis Kürtőskalács
Ein Klassiker auf deutschen Volksfesten darf da nicht fehlen – die Thüringer Rostbratwurst. Sehr lecker gibt es sie für 3 Euro gleich am ersten Stand in der Grimmaischen Straße vom Augustusplatz aus kommend. Frisch zubereitete und gut gefüllte Galettes aus der Bretagne finden sich auf dem Marktplatz. Die typisch dampfenden ungarischen Rollen aus Hefeteig heißen Kürtőskalács. Sogar mehrere Stände bieten ihn an. Kräppelchen, Lángos, gebrannte Mandeln oder doch etwas Salzkaramell?
Ausgewählte Marktstände auf dem Weihnachtsmarkt Leipzig
Bei über 250 Marktständen fällt es natürlich schwer, den Überblick zu behalten. Schließlich bleibt genug Raum für individuelle Entdeckungen. Natürlich sind all jene Dinge vertreten, die man sich von einem solchen Markt erwarten kann – weihnachtliche Dekoideen, Lebkuchen, gebrannte Mandeln, warme Socken, praktische Pfannen, allerlei Bürsten, Holzwaren und so mehr oder weniger nützliche Utensilien. Ein paar Dinge in Leipzig sind dennoch spezieller und möglicherweise nur in Sachsen oder gar nur hier erhältlich.
Zu nennen ist die traditionelle Holzschnitzkunst aus dem Erzgebirge, die hier an einigen Ständen in Form von Schwibbögen, Räuchermännern und anderen Figuren original erhältlich ist anstatt als Plagiat. Zur sächsischen Tradition gehören auch Räucherkerzen aus Crottendorf und manch dekorativer Miniatur-Räucherofen. Beleuchtete Sterne für innen und außen aus Herrnhut sind ein weiterer Klassiker aus Sachsen. Aus Freiberg am Fuße des Erzgebirges fiel uns ein Anbieter auf, der Zinn und Zinnfiguren feilbot. Schön, dass damit sächsische Bergbautradition auch auf dem Weihnachtsmarkt in Leipzig „greifbar“ wird. Und ein echter Klassiker darf natürlich nicht fehlen – der sächsische Christstollen. Besonders empfehlenswert finden wir den aus dem alten Leipziger Café Corso, deren Stand ebenfalls auf dem Marktplatz zu finden ist.
„Früher war mehr Lametta“ – aber es gibt es noch heute. Wir konnten einen Stand mit echtem Lametta aus Stanniol statt Plastik finden und sogar Blei-Lametta gibt es dort. Das muss wohl noch länger her sein, denn aus Blei kannte ich das nun wirklich nicht. Faszinierend für Jung und Alt dürften die mechanischen Modelle aus dünnem Sperrholz sein, die ein Stand aus der Ukraine auf dem Augustusplatz präsentiert. Regelrechte 3D-Puzzle sind das, wo wir letztes Jahr nicht widerstehen konnten. Modern und Retro kombiniert? Dekorative Lampen, die recht simpel aus gleichartigen Kunststoffelementen zusammengesteckt werden, stammen aus Chemnitz und vermitteln so ein 70er-Jahre-Feeling. Mit fernbedienbarem LED-Leuchtmittel hat die Neuzeit Einzug gehalten.
Ein heißer Wettbewerb – der Glühweintest
War Glühwein auf so manchem Weihnachtsmarkt früher mitunter ein trauriges Unterfangen, so hat sich inzwischen Qualität durchgesetzt. Einen Anteil daran hat sicher der bereits seit fünf Jahren von der Regionalzeitung LVZ mit einem Verkosterteam durchgeführte Glühweintest in Leipzig. Die Sieger wechseln etwas von Jahr zu Jahr und sind natürlich immer Geschmackssache. 2018 liegt der Franke „Zur Höll“ aus Rothenburg ob der Tauber mit seinem rotem Glühwein auf dem Marktplatz vorne. Das können wir durchaus bestätigen – mittelkräftig, gut ausgewogen, kaum Zucker und moderat gewürzt.
Platz 2 erreichte die Kelterei Oese aus Sachsen mit ihrem weißen Bacchus. Ein solider Wein mit wenig Süße, wo die Rebsorte Bacchus gut erkennbar ist, allerdings scheint er ungewürzt. Etwas würziger wünsche ich mit Glühwein dann doch. Nach dem vierten Platz im letzten Jahr mit Pflaumenpunsch landete Knobi Matti auf dem Augustusplatz dieses Jahr auf Platz 5 mit weißem Glühwein. Dort probierten wir hingegen Krambambuli. Das ist nett gemeint, aber vom ungarischen Original Krampampuli doch noch weit entfernt – dennoch ein sehr guter „Glühwein“. Platz 6 nach dem fünften Rang im letzten Jahr gab es für die Glühweine von Kapaurer aus Südtirol. Die wirkten jetzt etwas zu süß. Unser Favorit bleibt dort weiterhin der Zirbelpunsch. Interessant ist auch der weiße Glühwein vom sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth nach historischem Rezept. Und selbst Rosé-Glühwein ist inzwischen erhältlich. Das bleibt wohl nur ein netter Versuch, denn die typische Frische eines Rosé-Weins geht in der Wärme unter.
Praktisches: Öffnungszeiten 2019, Anreise, Parken
Der nächste Weihnachtsmarkt Leipzig hat vom 26. November bis 23. Dezember 2019 geöffnet. Zwischen Weihnachten und Silvester, wo viele Leute Zeit hätten, ist der ganze Budenzauber leider schon wieder verschwunden. Vielleicht hat man da irgendwann mal ein Einsehen. Geöffnet ist täglich von 10 bis 21 Uhr, freitags und samstags auch bis 22 Uhr.
Bei dem großen Andrang und der Glühwein-Vielfalt empfiehlt es sich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Der Weihnachtsmarkt ist vom Leipziger Hauptbahnhof aus in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Ganz direkt beginnt man an der Straßenbahnhaltestelle Augustusplatz. Wer dennoch einen Parkplatz benötigt, sollte sein Glück im Parkhaus Hauptbahnhof versuchen.
Weitere Informationen liefern das vor Ort ausliegende Faltblatt sowie die Webseite vom Weihnachtsmarkt.